Kurzeinführung Philosophie
Eine ewige Frage der politischen Philosophie
Welcher Zusammenhang besteht zwischen der Philosophie und der Staats- und Gesellschaftsordnung? Ist philosophisches Denken von der bestehenden Ordnung geprägt, oder kann Philosophie ihre Erkenntnisinteressen unabhängig davon verfolgen? Was also ändert sich für die Philosophie, wenn die politische Ordnung anders gestaltet oder auch nur anders gedacht wird?
Die Erfahrung lehrt eine einfache Antwort hierauf. Soweit philosophisches Denken nicht von sich aus an die Fundamente der Staats- und Gesellschaftsordnung rührt, ist es zumeist fest auf diesen Fundamenten verankert. Werden Staat und Politik grundlegend neu verfasst, müssen sich daher zumindest auch jene Teile der Philosophie grundlegend ändern, die irgendwie politisch relevant sein wollen. Dies betrifft z.B. den philosophischen Umgang mit Begriffen wie Freiheit, Frieden, soziale Gerechtigkeit, Solidarität, Rechtsstaat, Demokratie, politische Identität und Sinnstiftung. Das Bedeutungsspektrum solcher Begriffe ergibt sich immer auch aus dem institutionellen Kontext und damit letztlich aus der Staatsverfassung.
In den Beiträgen des Reformforums wird überwiegend von einer neokratischen, mithin grundlegend veränderten Verfassungswirklichkeit ausgegangen. Demzufolge wird auch erörtert, welche neuen Fragestellungen sich hieraus für die Philosophie ergeben, aus den Grundkonzepten nämlich von mehrspuriger Demokratie und politischer Assoziationsfreiheit. Dazu gehört die Frage, ob neokratische Staatsformen die Bürger verändern oder ob sie nicht vielmehr veränderte Bürger voraussetzen.
Damit ist eine ewige Frage der politischen Philosophie angesprochen. Ob eine theoretisch entwickelte Staats- und Gesellschaftsordnung für die realen Bürger taugt oder ob sie die Bürger überfordert, ob sie ihnen womöglich viel zu idealistisch und abstrakt ist und ob insofern die herrschende Realpolitik nicht doch die beste der möglichen politischen Welten darstellt, ist auch im Kontext neokratischer Staatsformen gründlich zu bedenken. Auch hierzu will das Reformforum Neopolis Denkanstöße geben.
Philosophie und Erfindungsgeist
Ein in der Philosophie wenig beachtetes Thema ist Rolle des Erfindungsgeists in der sozialen und politischen Entwicklung. Die Menschheit ist mit herausragendem Erfindungsgeist ausgestattet, aber ebenso klar ist, dass dieser Erfindungsgeist sich fast ausschließlich in technischen Entwicklungen und in den Künsten entfaltet. Im Vergleich dazu spielt der Erfindungsgeist im Sozialen und Politischen eine erschütternd geringe Rolle.
Eine Ursache hierfür ist natürlich, dass die Technik zunächst einmal nur Sachen oder Daten gestaltet und damit äußerst gefügige Objekte. Prinzipiell geht es aber auch bei sozialen und politischen Erfindungen zumeist um Regeln, und die Entwicklung solcher Regeln ist, was die intellektuellen Anforderungen angeht, der Konzipierung von technischen Abläufen und Computerprogrammen nicht unähnlich. Umso erstaunlicher ist, dass die Menschheit in der Technik über eine unvergleichlich höhere Kompetenz und Gestaltungskraft verfügt als im Sozialen und Politischen.
Dieser Sachverhalt kann für eine engagierte Philosophie zu einer fruchtbaren Herausforderung werden. Nähme sie sich dieser Problematik an, könnte sich daraus womöglich eine übergeordnete Kompetenz-, Innovations- und Kreativitätsphilosophie entwickeln, die sich mit Subdisziplinen wie Technikphilosophie und Staats- und Sozialphilosophie austauschen und Einsichten über die Nutzung und (fehlende) Ausschöpfung menschlichen Erfindungsgeistes in den jeweiligen Bereichen vermitteln würde.
Eine solche Disziplin stünde neokratischem Staats- und Verfassungsverständnis sehr nahe.
Wissenschaftstheorie
Eine Anmerkung zur Wissenschaftstheorie: Zu den Politikbereichen, die besonders stark von der bestehenden Staatsform geprägt sind, gehört die Wissenschaftspolitik. Eine neue politische Ordnung könnte daher auch die Nachfrage nach Wissenschaft inhaltlich und qualitativ wesentlich verändern. Diesen Zusammenhang zu erkunden ist eine der wichtigsten Aufgaben einer politisch sensibilisierten Wissenschaftstheorie. Die politische Ordnung neu zu denken bedeutet daher letztlich auch, im Bereich der Wissenschaftstheorie neue Wege zu gehen.